Warum wird das Laub bunt?

Wie der wiehernde Wecker den Herbst fand 

 

Es war ein herrlicher Morgen. Die Sonne schien vom blauen Himmel, die Luft war rein und klar und es duftete herrlich nach Herbst. Denn die Bäume hatten schon einen Teil ihres buntes Herbstkleides abgeworfen. Natürlich hatte Wecker - wie jeden Morgen - wieder alle aus den Betten gewiehert. Na kein Wunder, er war ja schließlich auch der wiehernde Wecker. 

Nachdem er und seine Pferde-Kumpels Pony Pups, Frau Wimper-Klimper, und Oma Hasenfuß Heu und Hafer gefrühstückt hatten und lustig über die Koppel tobten, hörte Wecker plötzlich Hufgetrappel. Ja - das war klar wie Kloßbrühe. Da kamen andere Pferde die Dorfstraße entlang. Nun spitzten auch Weckers Kumpels die Ohren. Glock, trapp, glock trapp - klapperten die Hufe auf den roten Pflastersteinen der anderen Pferde aus dem Dorf. Nun waren Wecker und seine Kumpels nicht mehr zu halten. So schnell sie konnten, liefen sie vor zum Zaun und reckten die Hälse. „Es ist Lenaaaaa mit ihrer Araberstute Flickaaaa“, piepste der Spezi-Spatz ganz aufgeregt, der schon mal vor auf die Dorfstraße geflattert war, um nachzusehen, wer da angetrappelt kam. „Die blonde Wicky mit ihrem Araber Django ist auch dabei“, sagte Spezi, der nämlich nicht nur sehr schlau, sondern auch sehr neugierig ist.

 

Kurze Zeit später spazierten wirklich Lena und Wicky mit ihren Pferde auf Jannas Hof. Aufgeregt wieherten und grummelten nun alle Pferde und begrüßten sich so. Da wurde Nase an Nase geschnüffelt, mit den Hufen gescharrt und ab und zu war auch mal ein aufgeregte hohes Quietschen zu hören, so wie es Pferde zur Begrüßung oft tun. 

„Kommst’e mit Ausreiten, im Wald?“, hörten die Pferde Lena fragen. Nach einem kurzen Überlegen sagte Janna schließlich: „Mmmh, ich wollte eigentlich gerade den Stall ausmisten und dann Wäsche waschen. Aber was soll’s. Die Arbeit rennt mir ja nicht weg. Klar komme ich mit.“

Und als Wecker das hörte, wieherte er vor Freude so laut, dass Janna die Ohren glühten. Denn Wecker stand jetzt direkt neben hier. Sie hatte ihm gerade das grüne Knotenhalfter umgelegt und ihn an der Stange angebunden, um ihn schnell zu putzen und zu satteln. Auch Jannas Mann Bruno entschloss sich spontan mitzureiten und putzte und sattelte Pony Pups im Schnellverfahren. 

 

Oma Hasenfuß und Frau Wimper-Klimper blieben diesmal zu Hause. Sie bekamen später noch Besuch von ihren Pferde-Pflegemädchen Lisa und Anne. Dann ging die kunterbunte Reitertruppe auch schon los und einige Nachbarn sahen neugierig aus dem Fenster oder lugten durch eine Hecke am Gartenzaun hervor, als sie die Hufen auf der Dorfstraße klappern hörten. 

Richtig schön war die bunte Truppe wieder anzusehen. Lena hatte ihre knallrote Reitkappe auf dem Kopf und saß mit einer roten Weste auf ihrer dunkelbraunen Stute Flicka, die stolz ihr rotes Zaumzeug trug.

 

Wicky und Django waren ganz auf gelb eingestellt - ein bisschen wie eine Zitrone fand Wecker, verkniff sich aber einen Kommentar. Auch Djangos Zügel aus dem Material Biotane waren quittegelb, die Trense gelb und sogar Djangos  Satteldecke blitzte gelb unter dem schwarzen Sattel hervor. Und dann war da natürlich noch Wecker mit seinem schnellweißen Fell, auf dem lustige fuchsbraune Punkte verteilt waren. Und weil Janna heute auch ganz bunt zu mute war, setzte sie ihre knallpinkfarbene Reitkappe auf. Nur Jannas Mann Bruno war ganz in schwarz gekleidet. Auch Pups Satteldecke und Sattel waren einfach nur schwarz, den Bruno findet bunte Farben doof. 

 

Der rot-gelb-pink-schwarze Zug schlenderte über den Birnenweg, der so heißt, weil hier - jetzt im Herbst - viele süße Birnen wie von der Sorte „Gellerts Butterbirne“ oder „Alexander Lucas“ an den dicken schwarzen Ästen hängen. Ein Birnenbaum steht am anderen und hinter den langen Baumreihen links und rechts vom Weg liegen abgeerntete Maisfelder, auf denen Kraniche und Wildgänse nach verstreuten Körnchen suchen. 

 

„Jetzt müssen wir nur noch über die gepflasterte Dorfstraße an dem alten rot verklinkerten Gut vorbei und dann sind wir schon im Wald“, dachte Wecker und legte noch einen Schritt voller Vorfreude zu. Denn nichts war für ihn schöner als mit anderen Pferde durch den Wald zu traben. 

Auch der schlaue Spezi-Spatz war wieder beim Ausritt auf einen Ausflug mitgekommen und flatterte übermütig über dem bunten Gespann durch die Luft. 

„Paaaast auf“, piepste Spezi plötzlich aufgeregt zu der bunten Reitertruppe runter. „Der schwarze große Hund Lumpi ist im Garten. Gleich springt er gegen den Zaun - bekommt keinen Schreck.- piep, piep..“ 

 

Und obwohl der helle Bretterzaun mindestens zwei Meter hoch ist,  schafft es Lumpi jedesmal so hochzuspringen, dass sein Kopf über den Bretterzaun lugt. Verdammt - er musste einfach sehen, wer da die Straße entlang kommt und so lautes Getrappel macht. 

Aber weil Spezi alle schon vorgewarnt hatte, bekam keines der Pferde und darum auch kein Reiter einen Schreck, was Lumpi ein bisschen ärgerte. Denn jedesmal freut er sich diebisch, wenn er anderen einen Schreck einjagen kann. 

 

Die kleine Gruppe ließ Lumpi hinter sich und die kleine Schafherde, die gemütlich in einem Grundstück graste. Schließlich waren sie endlich im Wald angekommen. 

Diesmal trabte Wecker munter vorne weg, dicht gefolgt von Pony Pups. Und Pups war wirklich sehr, sehr froh, dass ihm beim Antraben kein Pups aus dem Po entfleuchte. Denn schließlich trabte direkt hinter ihm die flotte Stute Flicka. 

 

Im Wald versanken die Hufe der Pferde bei jedem Schritt tief in dem bunten Herbstlaub, das schon von den Bäumen auf den Boden gefallen war. Bei jedem Trabsprung raschelte das Laub laut und angenehm und verbreitete einen herrlichen Laubduft. 

Fasziniert schaute Wecker hoch zu den Bäumen mit den bunten Blättern. Sie waren gelb, rot und grün. „Wer hat nur die ganzen Blätter hier so schön bunt angemalt“, grummelte Wecker leise vor sich hin, während der Wind ein rotes Blatt vor seine Rosa-Nase segeln ließ. Und während Oma Hasenfuß in so einer Situation wieder das Herz in die Hufe gerutscht wäre, blieb Wecker cool. Und wieder wunderte er sich: „Wer hat bloß die vielen Blätter so schön angemalt?“

 

Da hörte Wecker ein leises Kichern. Es war der schlaue Spezi Spatz. „Menno Wecker, abgesehen, dass du wie ein Opa ziemlich oft mit der selbst sprichst… - aber das ist doch klar wie Kloßbrühe: Keiner malt irgendwo die Blätter an. Wie du weisst, sind die Blätter im Frühling und im Sommer grün. Das ist so, weil in ihnen ein grüner Farbstoff wohnt. Der heißt Chlorophyll. Aber dieser grüne Farbstoff in den Blättern bildet sich im Herbst zurück. Weil in den Blättern auch die Farben rot und grün wohnen, sehen die Blätter jetzt nun nur noch gelb oder rot aus.  Denn das Grün ist ja weg.“

„Ja“, meint Wecker. „Oft sind Blätter ja so rot wie Mohrrüben.“

 

„Das stimmt. Diesen roten Farbstoff im Blatt nennt man Karotin, der auch in Mohrrüben drin ist“, sagte Spezi flatternd. 

„Aber warum werfen denn die Bäume ihre Blätter im Herbst einfach ab. Guck mal, wie viele hier auf dem Boden liegen.“

„Die Bäume werfen im Herbst ihre Blätter ab, weil sie in der kalten Jahreszeit an den Bäumen vertrocknen würden. Denn wenn der Boden gefroren ist, dringt weder Schnee noch Regen ins Erdreich. Da wirft der Baum die Blätter im Herbst lieber ab.“ 

 

„Ach so“, sagte Wecker und trabte fröhlich weiter durch das bunte Herbstlaub. Doch dann schlug er plötzlich so mit dem Kopf, dass seine rote Wallemähne wackelte und wieder lugte er laut schnaubend zum Spezi Spatz in die Luft hinauf.

 

„Was denn nu noch?“, fragte Spezi ungeduldig. 

„Aber eines verstehe ich nicht. Warum lässt sich denn der Baum im Frühling wieder neue grüne Blätter wachsen?“, fragte Wecker und musterte Spezi neugierig, ob er ihm auch diese schwierige Frage beantworten kann. 

 

Spezi dachte kurz nach und ließ Gedanken verloren einen kleinen Kack-Klecks fallen. Natürlich nicht so, dass er Wecker oder ein anderen Pferd samt Reiter traf. 

„Na weil der Baum die neuen grünen Blätter zum Weiterleben braucht“, sagte Spezi schlau. 

„Du musst dir das so vorstellen. Die grünen Blätter mit dem grünen Farbstoff darin sind für den Baum wie hunderte kleine Mini-Lungen, über die er atmet und die Wärme der Sonne einfängt. Daraus macht der Baum dann eine Art Traubenzucker-Benzin. Das braucht der Baum, damit seine Rinde, Äste und die neuen Blätter wachsen können. Photosynthese nennen das die klugen Leute aus der Humboldt-Universität“, sagt der Spezi Spatz und ein bisschen Stolz schwang in seiner Pieps-Stimme mit. 

„Also braucht der Baum seine Blätter zum Atmen?“, fragte Wecker.

„Ja - ganz genau“, meinte Spezi und flatterte fröhlich voraus. Denn er kann schneller fliegen als ein Pferd traben kann.“

 

 

Nach einer ganzen Weile, die wieder etwa so lang war, wie ein Kindergeburtstag, war die Waldrunde beendet und die bunte Truppe trabte fröhlich zurück nach Hause. Natürlich lugte Hund Lumpi auf dem Rückweg wieder über den Zaun, aber keines der Pferde bekam bei seinem lautem Gebell einen Schreck. „So ein Mist“, dachte da Lumpi und kuschelte sich leise knurrend wieder in seinem Körbchen ein. Bis die nächsten Leute an dem hohen Bretterzaun vorbeikamen, denen er einen mächtigen Schrecken einjagen konnte.