Zungenchip lässt Blinde sehen

Foto: Thomas Lebie
Foto: Thomas Lebie

Obwohl Michael Emmerich blind ist, kann er sehen - mit der Zunge, wie eine Schlange. Lesen Sie mal auf text-service-berlin.de, wie die Erfindung aus Amerika das "Sehen"  über einen Zungenchip möglich macht.

 

Und das geht so: Michael Emmerich hat eine Brille auf, in deren Mitte eine Mini-Kamera steckt.

Die Kamera fängt einen einzelnen Gegenstand (etwa eine Tasse) ein und gibt das Bild über Kabel an einen handygroßen PC wieder. Von dort wird das Bild über 400 Mini-Elektroden Punkt für Punkt auf den Chip projiziert, der auf der Zunge liegt. "Jeder Punkt ist ein Kribbeln", sagt Michael Emmerich.

 

BrainPort Vision heißt der Zungenchip der Firma Wicab, der von der EU zertifiziert und seit 2013 in Deutschland zugelassen ist.

 

Die Kosten betragen 8000 Euro plus 660 Euro für die zehnstündige Schulung. Denn blinde Menschen müssen erst die richtige Kopfhaltung lernen, damit über die Kamera das Bild korrekt an den Chip weitergegeben werden kann. Auch wie sich ein Gegenstand auf der Zunge anfühlt, wird bei der Schulung vermittelt.

 

"So ist etwa der Buchstabe I auf der Zunge als ein Kribbeln von vorne nach hinten merkbar", sagt Michael Emmerich.

 

Die Chance, dass die Kassen die Kosten künftig übernehmen, ist gut. Denn die Erfolge der herkömmlichen OP-Methode (Kosten: rund 100 000 Euro) sind aktuell noch gering. Darüber hinaus muss bei der herkömmlichen Methode auch ein Mini-Chip auf der Netzhaut implantiert werden. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen will prüfen, ob der Zungenchip in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen und von den Kassen bezahlt werden kann.

 

Für Michael Emmerich ist der Zungenchip eine Bereicherung im Alltag. Seit seinem sechsten Lebensjahr leidet er an einer seltenen Netzhauterkrankung und sieht inzwischen nur noch Schatten.

 

"Mit dem Zungenchip kann ich Gegenstände und sogar Buchstaben erkennen, die etwa einen Meter von mir entfernt sind. Sie müssen allerdings mindestens acht Zentimeter groß sein. Helle Gegenstände auf dunklem Hintergrund kann die Kamera besonders gut sehen. Auch für ganz blinde Menschen ist das Gerät ein gutes Hilfsmittel."

 

Einen großen Nachteil hat der Zungenchip aber: "Wer ihn im Mund hat, kann nicht mehr sprechen. Aber man kann eben nicht alles haben", sagt Michael Emmerich.

 

Info: www.pro-retina.de